Haushaltsrede 2023

Falsche Prioritäten – Mehr Geld für Klima und Lebensqualität – gesunde Stadt

Sehr geehrter Herr Dellmans,
sehr geehrte Teilnehmende des Rates der Stadt Kempen,
sehr geehrte Anwesende,
liebe Bürger*innen der Stadt Kempen,
leider kann ich aufgrund einer Sportverletzung sowie der empfohlenen Corona-Quarantäne-Regeln
die folgende Rede nicht in der Ratssitzung am 24.01.2023 halten, sondern nur zur Verfügung stellen.

• Gesunde Stadt
• Klimaschutz
• Artenschutz
• Erhalt unserer Schöpfung
• Gesund und lärmarm leben
sind alles Selbstverständlichkeiten – auch in Kempen?

Was macht eine gesunde Stadt aus? Sie ist
• INKLUSIV, integriert alle Bevölkerungsgruppen, jedes Alter, jeden Grad der Einschränkung, …
• GRÜN, es ist überall Grün, das Schatten spenden kann,
• BLAU, Wasser, dass im Sommer die Luft kühlt,
• SPIELBAR, überall können Kinder und Erwachsene spielen,
• AKTIV, denn aktive Bewegungsformen fördern das Denkvermögen, Tragen zur Gesunderhaltung bei,
• NACHBARSCHAFTLICH
• ALLE SINNE, Wege sollen für alle Sinne etwas bieten, um sie attraktiv zu machen.

Diese 7 Qualitätsmerkmale sollen als Orientierungsrahmen dienen, um bei JEDER Planung innerhalb
der Gemeindegrenzen gesundheitsfördernde Potentiale zu erschließen. Heute wird noch vieles getrennt geplant.

Beispiel Bebauungsgebiete: Eine Planung ohne Berücksichtigung der zu erwartenden Pendlerströme
aufgrund der sozialen Gegebenheiten hat zu unserem heutigen starken Verkehr geführt. Wer neue
Bebauungsgebiete mit Einfamilienhäusern (freistehend oder Doppelhaushälften) plant, zieht
finanzstarke Personen nach Kempen, die aber hier nicht arbeiten können. Umgekehrt fehlen den hier
Arbeitenden Wohnungsmöglichkeiten. Also wurde bewusst doppelter Verkehr geplant und in Kauf
genommen. Des Weiteren wird durch eine solche Planung der Energieverbrauch pro Person in die
Höhe getrieben. Obendrein erfolgt eine hohe Flächenversiegelung, die wiederum an diversen
anderen Stellen (Hitze, Versickerung, Grünbestand, usw.) Probleme mit sich bringt. Dies nur als ein
Beispiel. Weitere Informationen finden Sie im Antrag selbst sowie den zahlreichen Links. Deshalb die
Entwicklung eines integrativen Konzeptes Gesunde Stadt Kempen.
Quasi nebenbei wird damit ein Hitzestrategieplan, ein Lärmstrategieplan, ein Plan zur Verminderung
der Luftverschmutzung, ein Plan für die Verkehrswende und und und … entwickelt.
Radverkehrskonzept, Integriertes Klimaschutzkonzept, Planung von Neubaugebieten, Sanierung
diverser Gebiete, Sanierung von Straßen, Grünzügen, Wasserflächen wird integrativ geplant.
Gemeinsam mit den Experten der Einzelthemen, gemeinsam mit den Experten vor Ort – den
Kempener Bürgern. Ebenso wird eine Bauwende unter Nutzung von vorhandener grauer Energie
gefördert und neue Wohnformen unterstützt.
Also: Kempen NEU denken, was sowohl der Bürgermeister als auch die BIKK im Wahlkampf
versprochen haben.

Ein weiter so ist keine Option!
Oder sollen noch
• weitere Radfahrer*innen verletzt werden? (fast 60 Unfälle mit Fahrrädern, überwiegend Radfahrer*innen als Opfer, überwiegende Ursache sehr mangelhafte Infrastruktur –
fehlende Umsetzung des Radfahrkonzeptes von 2019)
• weitere Zweirichtungsradwege gebaut werden?
• weitere Kreisverkehre, die für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen unfallträchtig sind, gebaut werden?
• weitere Grünflächen vernichtet werden?
• soll wirklich ein durch die Schulen selbst genutzter Sportplatz bebaut werden, obwohl es gar keinen Bedarf gibt
• Soll ein Sanierungsplan der Schulen durchgeführt werden, der die Wünsche der Schüler*innen und Schulen ignoriert? Ich erinnere an das GPE-Gutachten. Wo ist das? Warum wird das nicht berücksichtigt?
• Sollen Maßnahmen zur Digitalisierung in den Schulen ohne Beteiligung der Lehrer*innen und Schüler*innen durchgeführt werden?
• Soll den Bürgern in Kempen noch mehr Verkehr zugemutet werden mit einer Erhöhung von Lärm und Feinstaub, die nachgewiesenermaßen heute schon viel zu hoch sind und
erheblichen schädigenden Einfluss auf unser aller Gesundheit haben?

Ich könnte hier noch eine Stunde weiterreden und die Aufzählung fortführen.
Aber lassen sie uns nach vorne schauen.
Sowohl die Bundesregierung als auch wir hier im Rat haben uns auf die Einhaltung des 1,5 Grad Zieles
verpflichtet. Also müssen wir auch danach handeln. „Bezogen auf die Einwohnerinnen und
Einwohner der Stadt betragen die THG-Emissionen pro Person demnach rund 6,93 t im Bilanzjahr
2019. Damit liegt die Stadt unter dem bundesweiten Durchschnitt von 9,7 t/a.“ (Integriertes
Klimaschutzkonzept der Stadt Kempen – Endbericht Dezember 2022 – Seite 23). Um Klimaneutralität
und damit das 1,5 Grad-Ziel erreichen zu können, müssen wir ca. 1,0t/a erreichen. Wir müssen also in
allen Teilthemen unsere Emissionen um 90% senken!

Thema Bildung
Schulen brauchen jetzt viel Unterstützung und nicht erst in 15 Jahren. Sie brauchen Platz,
Bewegungsflächen, grüne Schulhöfe, eine sinnvolle Sanierung sofort und nicht erst in 15 Jahren.
Schulen im Park könnte das Ziel sein. Sofortiger Ersatz für die Pavillons, PV auf Dächer, Bäume rund
herum, Wasserflächen, bei denen das Oberflächenwasser versickern und verdunsten kann. Lassen
wir die Lehrer*innen und Schüler*innen selbst planen / mitplanen. Die bisherigen Workshops am LvD
haben phantastische Ergebnisse hervorgebracht. Lassen Sie uns diese nutzen.
Thema Ludwig-Jahn-Sportplatz
Sie kennen meine Meinung zum Ludwig-Jahn-Sportplatz. Aber ich muss an dieser Stelle wiederholt
die Sinnhaftigkeit der Bebauung in Frage stellen, weil
1. der aktuelle Schulentwicklungsplan von 2019 nur eine Richtung bzgl. der Schülerzahlentwicklung ausweist, nämlich nach unten
(https://ris.kempen.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZQ8DubrQZY256_EC96moyxHP2
grSIE2qD3Kb3MOhVY_c/SEP_S._72_-_141.pdf Seite T4.2-1)
. D.h. es gibt keinen weiteren Raumbedarf über den heutigen Bestand hinaus.
2. Aktuell wird der Altbau der Martinschule saniert (https://rponline.de/nrw/staedte/kempen/altbau-der-gesamtschule-in-kempen-wird-saniert_aid75494767). Weitere 14 Klassenräume werden ab Sommer 2023 zur Verfügung stehen.
Gleichzeitig werden aktuell KEINE Räume des LvD oder Thomaeum von der Gesamtschule genutzt. Wieso besteht dann weiterer Raumbedarf?
3. Eine direkte Zusammenführung des Schulgeländes kann ebenso durch eine Umgestaltung der Wachtendonker Straße erreicht werden.
4. Der Ludwig-Jahn-Sportplatz wird von den Schüler*innen schon heute als Erholungsfläche in Pausen und Freistunden genutzt.
5. Diverse Studien weisen solchen Freiflächen ebenfalls wichtige Stadtklimatische Bedeutung zu. Beispielhaft sei hier auf die Abschlusskonferenz der KuLaRuhr der Technischen
Universität Braunschweig hingewiesen (Meine Mail von Anfang September 2022 an alle Ratsmitglieder*innen und die Presse).
Und dann läuft bereits ein Architektenwettbewerb, obwohl der Bebauungsplan noch gar nicht verabschiedet ist. Bisher hat nur die Offenlegungsphase stattgefunden.

Thema Wohnen
Graue Energie muss sinnvoll genutzt und weiterentwickelt werden. Wir brauchen keine Neubaugebiete, wir müssen die Vorhandenen sinnvoll nutzen. Wohnprojekte schaffen, vorhandenen Wohnraum verdichten, Änderungen im Bestand zulassen. Anbauen, Aufstocken, Umbauen, Dachgeschosse ausbauen. Unsere Bevölkerungsentwicklung ist seit Jahren rückläufig, die Kempener trotz vieler Neubaugebiete rückläufig bis konstant (siehe wieder Seite 23 IKK).

Thema Mobilität
Der Autoverkehr hat generell in den letzten 25 Jahren nichts zur CO2-Reduktion beigetragen. Das Ziel muss dringend drastisch weniger Autoverkehr und mehr klimafreundliche Bewegung sein. Kempen ist eine 15 Minuten Stadt. Alles ist für gesunde Menschen zu Fuß oder mit dem Rad innerhalb von 15 Minuten erreichbar. Der Autoverkehr hat in Kempen aber überall Vorfahrt, anstatt die Menschen, die gesund und klimafreundlich unterwegs sein wollen. Hier muss dringend umgedacht werden. Die aktiven Mobilitätsformen brauchen die Premiumwege. Wege zu Grundversorgungseinrichtungen müssen auch Kinder ohne Erwachsenen sicher erreichen können.
Deshalb braucht es gesunde Wege zu Schulen, Kitas, Grundversorgung, Freizeiteinrichtungen, Rathaus.
Durchgangsautoverkehr darf es nicht geben, dieser muss auf dem Außenring bleiben. Das ist durch ein Zonenkonzept, wie es in Kempen bereits mehrfach existiert, erreichbar. Sogar schnell und preiswert. Einrichtung von Modalfiltern, Einbahnstraßen, Sackgassen, usw. sind die entsprechenden Stichworte. Hier als Beispiel die Kita Mullewap, die nicht nur von 4 Seiten von Autos und Verkehr umschlossen ist, sondern einer zehnfach(!) überhöhten Verkehrsmenge (und damit Lärm und Feinstaub) ausgesetzt ist. Wir gefährden hier die Entwicklung und Gesundheit unserer jüngsten Kempener Bürger*innen.
Und wenn Straßen saniert werden, müssen Sanierungspläne genutzt werden, die die aktive Mobilität fördern und den Klimaschutz berücksichtigen. Barrierefreie Gehwege ausbauen, wirklich gute Bedingungen für den Radverkehr schaffen. Im Jahr 2019 wurde nicht nur das Radverkehrskonzept verabschiedet, sondern es war auch ein Umsetzungsbeschluss. Wo ist die Umsetzung? Wo sind die Positionen im Haushalt 2023?
Eine Baustraße für mehr als 70.000€, aber kein Geld für das Radkonzept? Eine Erhöhung des Haushaltes von 2 Millionen auf 5 Millionen zum Ankauf von Grundstücken, aber keine Investition für die jetzigen Kempener Bürger*innen? Viel Geld für Fußgänger- und Radfahrermaßnahmen und den Klimaschutz.

Thema Sport und Bewegung
Sport und Bewegung sind wichtige Bausteine für die Gesundheit. Dies ist aber nicht nur mit einem neuen Sportpark an der Berliner Allee zu erreichen. Bewegung und Gesundheit auf Alltagswegen ermöglichen ist dafür ein viel wichtigerer Baustein. Bewegungsangebote in einem Viertel müssen gefördert werden.

Thema Klima
Weniger Versiegelung, mehr Parks; Regenwassernutzung statt Kanalisation.
Berücksichtigung der Feinstaubproblematik, verursacht durch Autoverkehr (Verbrenner und Elektro).
Wie bekommt man das Feinstaubproblem in Kempen in den Griff?

Lassen Sie uns Kempen NEU denken.
Wir müssen die Gelder und Themen umpriorisieren zugunsten der heute schon in Kempen lebenden Bürger*innen. Dabei müssen wir aufgrund der Personalsituation in der Verwaltung auch die dortigen Mitarbeiter*innen schützen, indem wir bei allen Themen die Kompetenz der Kempener Bürger*innen wirklich nutzen und integrieren. Das ist für alle Seiten eine Bereicherung. Auch hier darf es ein weiter so nicht geben.

Ich bin mir bewusst, dass ich als Einzelkämpfer hier im Rat das alles nicht erreichen kann, aber wenn ich ihr Mindset hin zu deutlich mehr Klimaschutz, Artenschutz und zum Erhalt unserer Schöpfung verändern kann, dann bleibt die Gesunde Stadt Kempen keine Zukunftsvision, sondern kann Realität werden und wir schaffen das 1,5 Grad Ziel.
Aber nicht mit dem aktuellen Haushaltsansatz für 2023.
Danke.
Kempen, den 24.01.2023 Stefan Ditzen